Blumenhalle am Südfriedhof – Friedhofsgeschichte in Liebertwolkwitz

Die Blumenhalle am Südfriedhof berichtet hier von einer Friedhofsgeschichte in Liebertwolkwitz.

Ein ungewöhnlicher Gast

  1. Oktober 2017. Auf dem Friedhof in Liebertwolkwitz. Eigentlich ein ganz normaler Tag. Wenn da nicht diese Trauerfeier angestanden hätte. Hat man ja meist zu solchen Anlässen auch das passende Wetter mit Regen, Kälte und Ungemütlichkeit. Somit war es an diesem Tage ja noch verhältnismäßig freundlich. Allerdings konnte das die trübe Stimmung der Trauergäste auch nicht besonders aufhellen. Zahlreiche Angehörige, Verwandte, ehemalige Kollegen und Bekannte waren gekommen, um von einer bekannten, beliebten und geachteten Frau Abschied zu nehmen und sie auf ihrem letzten Weg zu begleiten, die mit 66 Jahren viel zu zeitig, zu plötzlich und für Viele unfassbar aus dem Leben geschieden ist.

Na ja, und dann war ja noch diese Katze,

die sich, für Liebertwolkwitz erstmalig, in den Kopf gesetzt hatte, an der Beerdigung teilzunehmen. Wobei ²teilzunehmen² nicht der richtige Ausdruck ist. Sie war eher darauf aus, den Ablauf der Beerdigung genauestens zu kontrollieren und aktiv mit zu gestalten.

Dabei kam sie, grau getigert, zierlich im Wuchs und mit einer Kennzeichnung, die jeder Gesichtserkennungsapparatur das Herz hätte höher schlagen lassen, recht gelassen daher. Ein Mädchen scheint¢s, denn welcher Kater würde sich mit einem pinkenen Halsband vor die Tür getrauen.

Sie war schon da, als die ersten Trauergäste eintrafen. Sie hatte sich noch schnell ein Mäuschen gefangen und widmete sich danach schnurstracks den angekommenen Gästen.

Als erstes begleitete sie die angereiste Verwandtschaft bei ihrem Rundgang über den Friedhof, als wollte sie feststellen, wer denn so alles erschienen ist.

Ein besonderes Interesse hatte sie dabei an einem Spielkameraden der Verstorbenen aus der Kindheit, so als wollte sie ihre Freude, vielleicht auch die Verwunderung, über sein Erscheinen zeigen.

Die Friedhofskapelle hatte das Kätzchen bereits inspiziert und war schon mehrfach hinaus gefördert worden. Vielleicht hatte sie ja auch nur die Absicht, den Angekommenen zu zeigen, wo sie den mitgebrachten Blumenschmuck ablegen können, denn sie wusste bestimmt schon, dass eine Trauerfeier statt finden sollte.

Inzwischen hatten sich auch zahlreiche Trauergäste aus Liebertwolkwitz und Umgebung eingefunden und bildeten vor der Kapelle einen eigenen Flügel auf der rechten Seite des Vorplatzes. Die Katze mischte sich unter die Wolkser, und nur unter diese, so als wollte sie diese Gruppe der Anwesenden erfassen. Klar, die Anderen kannte sie ja schon.

Nachdem sie diese gecheckt hatte, wandte sie sich schnurstracks dem Eingang der Kapelle zu. Offensichtlich wollte sie der erste Gast, mit der Absicht den besten Platz zu beanspruchen, sein.

Das konnte allerdings von den Organisatoren der Trauerfeier vereitelt werden.

Unbeeindruckt zog sie von dannen, ohne darauf zu bestehen eingelassen zu werden. Logisch, sie war ja schon einmal drin und das reichte ihr scheinbar, um sich zu informieren und sich ein Bild zu machen.

Sie hätte nun nach Hause aufs Sofa oder ihre eigenen Wege gehen können.

Weit gefehlt. Als die Trauergemeinde sich am Grab versammelt hatte, war auch die Mietze wieder da.

Unsere Friedhofsgeschichte berichtet nun vom zweiten Teil

Was sie nun abzog war so verblüffend, dass keiner so richtig wusste, wie man damit um gehen sollte. Zunächst untersuchte sie gründlich das für die Urne bestimmte Grab, in etwa so, wie eine Katze auch ein Mauseloch untersuchen würde.

Wäre es nicht verhindert worden, hätte sie persönlich die Tiefe und die Lichtverhältnisse geprüft. Um die Beerdigung vornehmen zu können, musste sie zunächst dingfest gemacht werden. Auf den Arm genommen gab sie mit lautem Schnurren kund, dass sie keine böse Absichten verfolgt und gern wieder herunter gelassen werden möchte.

Letzteres hat sie, sagen wir mal, erzwungen. Gerade noch rechtzeitig auf der Erde beobachtete sie angespannt das Versenken der Urne, gab ihr mit den Pfötchen noch ein Bisschen die richtige Richtung und richtete abschließend den Blumenschmuck. Schnell noch die Schleife des abgestellten Blumengesteckes begradigt, um zu lesen, was der grauhaarige alte Mann hat darauf schreiben lassen und um sich dann wieder den Trauergästen zuzuwenden, die mit einem letzten Blütengruß Abschied von der Verstorbenen nahmen. Jedem der über 40 Trauergästen wurde auf die Finger gesehen, ob und wie viel Blumen er nimmt und ob er sie auch zielsicher auf der Urne platziert. Sie hatte die löbliche Absicht vom Wind verwehte Blütenblätter an die richtige Stelle zu bringen, was dem Kätzchen allerdings nicht so richtig gelingen wollte.

Und dann war sie weg und wir haben sie auch seit dem nicht mehr auf dem Friedhof gesehen.

Etwas mystisches hatte das Erscheinen des Kätzchens zur Beerdigung schon, hat es doch, laut einschlägiger Aussagen, so etwas noch nicht gegeben.

Von einer Bekannten war zu erfahren, dass es in Japan Organisationen gibt, die Kätzchen für Beerdigungen vermitteln. Sie sollen den Verstorbenen beschützen und die Hinterbliebenen trösten. Unsere war mit Sicherheit nicht aus Japan angereist.

Auch in Rom gibt es einen Friedhof mit drei festangestellten Katzen, die allerdings unliebsames Getier fernhalten sollen.

Eine beerdigungsbegleitende Katze gibt es aber scheinbar nur in Liebertwolkwitz.

Natürlich würft die Anwesendheit und das Tun der Katze Fragen hinsichtlich der Zulässigkeit und Akzeptanz in Anbetracht der Ernsthaftigkeit des Anlasses auf.

Und mancher der Anwesenden war sicher mit sich selber im Unreinen, ob bei einer Beerdigung zumindest ein Lächeln erlaubt sein darf.

Wir sind aber der Überzeugung der Verstorbenen hätte (oder hat?) es gefallen.

 

Wir haben lange über die Geschehnisse nachgedacht und sind zu dem Ergebnis gekommen – die Katze ist, von wem auch immer, geschickt worden und hatte einen Auftrag, den sie, nach Katzenmanier natürlich, auch abgearbeitet hat. Es sei ihr also vergeben.

Zumindest hatte die Trauerfeier durch das Kätzchen etwas Eigenes und Unvergessliches erhalten. Und so war es gut und richtig, so wie es war.

Die Traurigkeit, die kommt von allein, sie sitzt in allen Ecken und lauert einem auf.

Die Lebensfreude, die muss man suchen und man kann froh sein, wenn man sie findet.

HF

 

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